Der Eurasische Fischotter, Lutra lutra (L., 1758), ist eine der seltensten und bedrohtesten Tierarten in Europa. Er wird im Washingtoner Artenschutzabkommen und in der Berner Konvention in der höchsten Schutzkategorie geführt (Müller-Stiess & Ansorge 1996). Der Fischotter ist in den Anhängen 2 und 4 der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie aufgeführt und damit eine „Art von gemeinschaftlichem Interesse, die streng zu schützen ist“ (FFH-Richtlinie 1992). Nach der „Roten Liste der gefährdeten Wirbeltiere Deutschlands“ (Nowak et al. 1994) steht der Fischotter in der Kategorie 1 (vom Aussterben bedroht), in den Roten Listen der einzelnen Bundesländer wird er unter Kategorie 0 (ausgestorben oder verschollen) oder Kategorie 1 geführt. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern ist der Fischotter in der Kategorie 2 (stark gefährdet) gelistet (Labes 1991).
In den meisten westeuropäischen Ländern ist diese Art innerhalb weniger Jahrzehnte so plötzlich verschwunden, wie dies bei kaum einer anderen Säugetierart vorkam. Die in letzter Zeit gelegentlich gemeldete Erholung einzelner Bestände (Boye 1997, Hertweck 1999) ist eher skeptisch zu betrachten – häufigere Nachweise könnten auch auf eine intensivere Suche nach hinterlassenen Spuren, verfeinerte Nachweismethoden oder auf höhere Mobilität der Tiere durch verschlechterte Lebensbedingungen zurückzuführen sein (Mühlenberg 2001).
Aufgrund der Lebensweise des Fischotters ist die Forschung an diesem Tier im Freiland besonders schwierig. Seine großen Aktionsradien und die schwere Unterscheidbarkeit einzelner Individuen im Freiland haben zur Entwicklung einer Vielzahl von Methoden geführt (Totfund-Analysen, Verbreitungserhebungen auf der Grundlage von Kotproben, Nahrungsanalysen). Deren Einsatz hat in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart dazu geführt, dass ein „Mosaik“ zur Biologie und Ökologie des Tieres entstanden ist. Dieses ermöglicht jedoch keine Aussagen zur Populationsdynamik. Die Frage, ob eine Population abnimmt, stagniert oder zunimmt ist noch nicht geklärt. Das macht auch in der Zukunft weitere Forschung dringend erforderlich.
Um Fischotter individuell unterscheiden und damit belastbare Daten zur Population eines Gebietes zu erhalten, wurde im IZW eine neue Nachweismethode entwickelt und beispielhaft im Naturpark Nossentiner / Schwinzer Heide angewendet. Es handelt sich um ein nicht-invasives (störungsfreies) Verfahren, bei dem Kotproben freilebender Fischotter verwendet werden, um individuelle DNA-Profile der Tiere zu erstellen. Kotproben können relativ leicht gewonnen werden, da Fischotter regelmäßig an auffälligen Geländepunkten markieren, um ihre Anwesenheit und ihren hormonellen Status anderen Tieren der Population anzuzeigen (Gorman & Trowbridge 1996). Frischer Kot enthält Darmzellen seines Verursachers, die als Material zur DNA-Extraktion dienen. Bei der Analyse der gewonnenen Proben wird ein artspezifischer Fischotter-Testkit verwendet.
Ziel der Studie war es, die Anwendbarkeit der einzelnen Methoden in Bezug auf wild lebende Otter zu testen und Empfehlungen für das Design späterer Untersuchungen zu geben. Dabei wurde der Naturpark Nossentiner / Schwinzer Heide als Modell-Gebiet flächendeckend untersucht, um die Populationsgröße und –zusammensetzung der dort lebenden Fischotter-Population zu ermitteln. Außerdem wurde die Erfassung und Auswertung der Totfunde und der Tierbewegungen individuell erkennbarer Tiere genutzt, um das vom Straßenverkehr ausgehende Gefahrenpotential für den Bestand der Fischotter-Population zu erkennen und zu verringern.
Von Oktober 2001 bis März 2004 wurden im Gebiet 76 Fischotter-Individuen ermittelt. 51 Tiere wurden einmal, neun Tiere zweimal, sechs Tiere dreimal, zwei Tiere viermal, je zwei Tiere fünf- und sechsmal, je ein Tier acht-, neun-, zehn- und elfmal nachgewiesen.
An einem Probenpunkt wurden bis zu 15 (meist 1-4) Einzeltiere registriert. 24 Tiere wurden am gleichen Standort (z.T. auch an mehreren Standorten) wiedergefunden, damit erwiesen sich diese Tiere als (mindestens vorübergehend) standorttreu. Bei 17 Tieren wurden Bewegungen zwischen verschiedenen Probenpunkten festgestellt, in den Wintermonaten nahm die Zahl der Wanderungen zu. Im Winter wurden längere Strecken zurückgelegt (5 - 15 km) als in den Sommermonaten (0,5 - 7 km).
Es wurde eine Populationsdichte von einem Tier pro 611,7 ha Gesamtfläche, einem Tier pro 77,2 ha Wasserfläche und einem Tier pro 4,7 km Uferlänge berechnet. Das entspricht den Tierdichten, die Erlinge (1968) mit Hilfe von Fußspuren- und Kotanalysen in Südschweden ermittelt hat. Kruuk (1995) fand mit einer Kombination verschiedener Methoden (Direktbeobachtungen, Funkortung, Spurenanalysen) auf den Shetland-Inseln höhere Dichten von bis zu einem Otter pro 1,2 km Uferlänge, sein Untersuchungsgebiet ist allerdings für ungewöhnlich hohe Otterdichten bekannt, die sogar Beobachtungen der Tiere bei Tageslicht ermöglichen.
Die Fang-Wiederfang-Analyse ergab ein Populationsgröße von 34 Tieren, die dauerhaft im Untersuchungsgebiet leben („residents“) und durch wandernde Tiere („transient otters“) „ergänzt“ werden. Die Ermittlung von Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Tieren führte zum Ergebnis, dass 35 Tiere potentielle Verwandte ersten Grades (Eltern oder Kinder) in der Population haben, also dort genetisch „verankert“ sind. Die beiden Zahlen sind sich so ähnlich, dass die Größe dieser stabilen (= „residenten“) Population als zuverlässig angenommen werden kann. – In die Population gingen allerdings nur markierende Tiere ein, so dass eine unbekannte Zahl zusätzlicher nicht-markierender Tiere nicht ausgeschlossen werden kann.
Im Rahmen einer Diplomarbeit wurden unter einer Brücke 122 Otterbeobachtungen aufgezeichnet und 109 Proben genommen. Ziel der Arbeit war es, durch Videoaufnahmen das Verhalten der Tiere an der im Untersuchungsgebiet am häufigsten genutzten Markierungsstelle zu ermitteln, um die durch Kotprobenanalysen gewonnenen Daten zu ergänzen. Es wurden Fischotter nachgewiesen, darunter vier adulte Weibchen, von denen eins drei Junge führte.
Die Methode der Erstellung von DNA-Profilen aus Kotproben erscheint sehr gut geeignet:
die Größe von Fischotter-Populationen zu ermitteln,
verschiedene Gebiete hinsichtlich ihrer Besiedlung durch den Otter und seiner Bedeutung für den Schutz dieser Art zu vergleichen,
die Entwicklung der Otterpopulation in einem Gebiet im Zeitverlauf zu untersuchen.
Durch Auswahl geeigneter Referenzgebiete sollte es auch möglich sein, die Entwicklung von größeren Otterpopulationen zu untersuchen.
Die Ergänzung durch andere Methoden wie Totfund-Analysen, Schnee-Tracking, Video-Aufnahmen, Direktbeobachtungen und wenig invasive Telemetrie mit Klebesendern ist für Forschungsprojekte zu empfehlen. Die Kartierung von Nachweisen an Gewässern (IUCN-Methode) ist für die Auswahl geeigneter Untersuchungsgebiete ideal, da sie schnell und mit relativ geringem Aufwand durchgeführt werden kann.
Die vollständige Arbeit kann als PDF abgerufen werden.
Eine zugehörige ppt-Präsentation steht ebenfalls zur Verfügung.
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